Zufällig ist der genaue Standort einer verschwundenen Dorstener Burg aus dem Mittelalter entdeckt worden. Und eine Theorie zu einer Festung dort gibt es auch.
Eine alte Sage erzählte von einem „versunkenen Schloss“, das sich einst in diesem Dorstener Stadtteil befunden haben soll. Laut dieser Mär war der Besitzer verbotenerweise am Sonntag zur Jagd gegangen - bei der Rückkehr war sein Herrensitz verschwunden.
„Es gibt viele solcher Legenden, und nicht immer haben sie einen wahren Kern“, so Dr. Kai Niederhöfer. „Aber dort in Dorsten haben wir jetzt durch Zufall tatsächlich den genauen Standort einer mittelalterlichen Burganlage ausfindig machen können.“
Der wissenschaftliche Referent bei der „Archäologischen Denkmalpflege“ des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe in Münster überraschte mit dieser Neuigkeit kürzlich die Gäste eines öffentlichen Vortrags-Abends, den der Verein für Orts- und Heimatkunde im Alten Rathaus veranstaltet hatte und bei dem gleich mehrere LWL-Experten und der Sondengänger Alfred Tönsmann über das Thema „Ausgrabungen“ informierten.
Bodenverfärbungen
Aus aktuellem Anlass hatte sich Dr. Kai Niederhöfer ursprünglich mit einer „Schanze“ (Festungsanlage) beschäftigt, die sich einst auf dem damals noch unbewaldeten Areal des jetzigen „Steinernen Tischs“ im Barloer Busch befand.
Auf der Internetseite des Regionalverbands Ruhr (RVR) fand er bei seiner Recherche ein Luftbild aus dem Jahr 1926. Dort entdeckte er aber gleich zwei Bodenverfärbungen in diesem Bereich nahe des damaligen „Barloer Bachs“ (später: Hasselbecke, heute: Rapphofs Mühlenbach).
Die eine beweist erneut den schon länger bekannten Standort der Schanze. Und durch die andere dunkle und ovale Bodenprägung und deren entsprechende Ausmaße „ist ziemlich sicher, das wir damit die Stelle einer damaligen Niederungsburg exakt lokalisiert haben“, so der Archäologe - nur einen Steinwurf weit vom „Steinernen Tisch“ und der Fuß- und Radwegbrücke über den Bach am Krüskamp entfernt.
Es handelt sich dabei um das „Gut Barlo“, ein ehemaliger Adelssitz im Dorstener Stadtsfeld. Dass dieses sich laut Dr. Kai Niederhöfer „bis zum Beginn des 15. Jahrhunderts“ dort irgendwo in der Nähe befunden haben muss, war bekannt.
Zuletzt hatte sich Ulrich Poll vom Dorstener Verein für Orts- und Heimatkunde im „Heimatkalender 2023“ in einem ausführlichen Beitrag mit dem Forschungsstand zur damaligen Turmhügelburg Barlo beschäftigt.
Keine sichtbare Spur mehr
„Noch immer erinnern zwei Namen an das Gut: der Barloer Busch und der Barloer Weg“, so der Autor. „Doch von dem Gut scheint keine sichtbare Spur mehr vorhanden zu sein.“
Zwar gibt es schriftliche Überlieferungen und alte Karten, doch erschwert wurde die Suche dadurch, dass der Barloer Bach nicht mehr in seinem ursprünglichen Bett fließt. Bei der letzten Begradigung des Rapphofs-Mühlenbach-Laufs sollen, so heißt es übrigens in einem Heimatkalender-Beitrag von Rolf Schulte aus den 1960er-Jahren, womöglich Wälle der einstigen Burganlage abgetragen worden, dicke Eichenbohlen zum Vorschein gekommen und Steine und Keramik aus dem Boden herausgeholt worden sein“.
Pech für die Wissenschaftler: Der Standort lässt sich derzeit nicht archäologisch untersuchen. „Denn ein zweites RVR-Luftbild aus dem Jahr 1952 zeigt, dass der zwischenzeitlich begradigte Bachlauf komplett mitten durch das frühere Burggelände fließt und auch die Deiche verbreitert und ertüchtigt wurden“, so Dr. Kai Niederhöfer bei seinem Vortrag im Alten Rathaus. Einen Silberstreif am Horizont zeigte ihm an dem Abend jedoch Ulrich Poll auf. Er rief in Erinnerung, dass Lippeverband und RAG planen, den Lauf des Rapphofs Mühlenbachs in diesem Bereich in Zukunft umzuändern und um den Barloer Busch herum zu legen. Danach könnte im Boden mehr gefunden werden, was Auskunft geben könnte über die Geschichte von Gut Barlo - das laut Urkunden um 1400 noch von der Familie Barlo (auch als Berlo, Berklo und Berlohe bezeichnet) bewohnt worden sein soll, bevor es dann irgendwann verschwand. „Das ist noch nicht das Ende der Geschichte“, so Kai Niederwöhner, „sondern erst der Anfang der Erforschungen.“
Dragoner-Lager
Der LWL-Wissenschaftler stellte übrigens auch zur benachbarten polygonalen Schanze, die einem Umfang von 60 Metern aufwies, eine These auf: Auf einer Karte von 1641, die die zweimonatige Belagerung Dorstens durch die hessischen Truppen im Dreißigjährigen Krieg zeigt, befindet sich genau an dieser Stelle das Lager eines Dragonerregiments, das dort diese Festung gebaut haben könnte.
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