Projekte in Arbeit

Projekt Flur- und Straßennamen

Buchbesprechung Westfälischer Flurnamenatlas Im Auftrag der Kommission für Mundart- und Namenforschung des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe. Bearbeitet von Gunter Müller.

Gesamtwerk: 788 S., 414 Karten.  245,-- (ISBN 978-3-89534-350-6).

siehe auch

www.lwl.org/LWL/Kultur/komuna/publikationen/westf_flurnamenatlas/

Die vierte von fünf geplanten Lieferungen des Flurnamenatlas umfasst auf 168 Seiten die Artikel 93 bis 128. Sie übertrifft die älteren Lieferungen (von 2000 bis 2003) nach der Seitenzahl (bisher immer 132) um mehr als ein Fünftel. Der Grund dafür ist in der Tatsache zu suchen, dass in dieser Lieferung überwiegend Gegenstände behandelt werden, über die es entweder keine nennenswerte oder aber eine gelegentlich sehr kontroverse Literatur mit zum Teil abwegigen Lösungsvorschlägen gibt, die den Bearbeiter zur Diskussion, zu Abwägungen und ausführlicher Begründung seiner Ansichten zwingen.

Themen sind die Gruppen »Bodenerhebungen« (mit z.B. Knüll, Noll, Bühl, Bült, Hoop, Poll, Brink), »Täler und Senken« (mit z.B. Delle, Grund), »Plätze und Flächen« (mit z.B. Bleck, Plack, Lage, Boden) und »Gewässer«/»Land am Wasser« (mit z.B. Aa, Riede, Siepen, Siek). Es sind überwiegend Bezeichnungen für geomorphologische Erscheinungen, die zum Teil eine nur geringe Verbreitung haben und  etwa  auf das Bergland beschränkt sein können.

Unter den behandelten Wörtern finden sich überraschend häufig Wortpaare, die sich lautlich weitgehend entsprechen: Bleck  Plack, Plack  Platz, Egge  -ei, Aa  Au, Bühl  Büdel (Beutel), Lage  Flage, Flage  Flake (Fläche), Knoll  Noll, Lage  Lake, Siepen  Siek, Klippe  Kliff. Sie werden vom Bearbeiter entweder innerhalb eines Artikels getrennt besprochen (Klippe  Kliff u.a.) oder aber als Varianten ohne deutlich getrennte Verbreitungsgebiete behandelt (Flage  Flake u.a.). Es ist in diesen Fällen jeweils schwierig, das Überlieferungsbild, die Aussprachegewohnheiten, die Sprachgeschichte, Niederdeutsch-Hochdeutsch, »volksetymologische« Umdeutungen und Lösungsvorschläge bzw. -irrwege unkontrolliert veröffentlichender Heimatforscher zu trennen, zu sichten und zu ordnen. Mehrfach muss der Bearbeiter nach Vorstellung und Erörterung aller Gebrauchsweisen eines Wortes eingestehen, dass seine Bedeutung unklar bleibt. Das gilt insbesondere für die immer wieder kontrovers beurteilten Bezeichnungen und Namen »Scheid«/»-scheid« und »Bracht«/»-bracht« (z.B. in den Siedlungsnamen Plettenberg, Valbert, Ihmert). Er schreibt zu »Bracht«: »Einen Erkenntnisfortschritt könnte nur eine monographische Aufarbeitung bringen, bei der u.a. (historische) Flurortanalysen für das gesamte Namenmaterial durchgeführt würden.« Damit wird die Mitwirkung der historischen Geographie gefordert, die  so scheint es jedenfalls in Westfalen  die Flurnamen oder -bezeichnungen noch nicht als ihr genuines Arbeitsmaterial erkannt hat.

Es ist in diesem Zusammenhang darauf hinzuweisen, dass sich der Essener Hochschullehrer Paul Derks 2004 in seinem Buch »Die Siedlungsnamen der Stadt Lüdenscheid« (gemeint ist das heutige Stadtgebiet) mit den besonders problematischen Fällen »Bracht« und »Scheid« ausführlich und unter Benutzung der Literatur, deren sich auch der Bearbeiter des Flurnamenatlas bedient, befasst hat und für »Bracht« gleichfalls zu keinem Ergebnis kommt. Für »Schlatt« (Nr. 128 im Flurnamenatlas) legt Derks eine zusätzliche Erklärung vor, zu der im Flurnamenatlas eine Stellungnahme vermisst wird. Man wundert sich darüber, dass neben dem Lüdenscheid-Buch auch die übrigen, zahlreichen, meist guten bis brillanten, zumindest aber anregenden Arbeiten Derks aus den letzten 25 Jahren dem sonst alle Arbeitsmittel und Arbeitsweisen vollständig beherrschenden Bearbeiter des Atlas entgangen sind.

Leopold Schütte, in: Westfälische Forschungen 57, 2007